Zeitzeugin an der HBS
20.05.2022
„Mein Bruder und ich haben auf der Straße gespielt, als unser Nachbarsjunge kam und sagte: „Mama sagt, ihr seid Juden!“ - ich wusste gar nicht was das heißen soll.“ Am 9.5.22 besuchte die 92-jährige Marianne Wilke uns hier an der Hans-Brüggemann Schule und erzählte uns von ihrer Kindheit im Nationalsozialismus. Während dieser Zeit wurden Marianne Willke und ihr Bruder als „Halbjuden“ durch die Nationalsozialisten verfolgt. Nach der Rassenlehre der Nazis wurde ihr Vater als „Volljude“ verfolgt. Da Marianne Willke dem Regime nach eine „arische“ Mutter hatte, wurde sie als „Halbjüdin“ klassifiziert.
Die Hamburgerin erzählte dem sehr interessierten 9. Jahrgang vieles aus ihrer Kindheit, vor allem berichtete sie von ihrer couragierten Lehrerin, die verschleierte, eine „halbjüdische“ Schülerin zu haben. Auch in ihrem Berufsleben bekam Frau Wilke Unterstützung durch andere zu spüren, indem sie als Hausmädchen angestellt wurde.
Auf die Straße habe sie sich allerdings nicht mehr getraut und auch in der Schule im Deutschunterricht habe sie schnell gelernt, dass sie eben kein „braunes Mädchen“ sei, wie die Gedichte im Unterricht propagierten.
Die Lernenden des 9. Jahrgangs, die dieses Jahr bereits die Gedenkstätte Neuengamme besuchten, waren vor allem daran interessiert, wie Frau Wilke die Propaganda durch die Nationalsozialisten wahrgenommen hatte. Auch das Schicksal ihres Vaters, der noch 1945 nach Theresienstadt deportiert wurde, das Lager aber glücklicherweise überlebte und das Schicksal ihrer Großeltern, die in Riga ermordet wurden, berührte die Zuhörerschaft sehr.
Die Zeit begrenzte leider die Fragerunde, die Marianne Wilke mit einem Zitat der Ärzte aus ihrem Lied „Deine Schuld“: „Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es wäre nur deine Schuld, wenn sie so bleibt.“ schließt.
Als eine der letzten Zeitzeuginnen sehe sie es als ihre Pflicht, über ihr Leben zu berichten und so viele Schüler und Schülerinnen wie möglich zu erreichen.
Wir als Zuhörerschaft der Hans- Brüggemann Schule können uns glücklich schätzen, diesen besonderen Besuch bekommen zu haben und bedanken uns nochmals bei Marianne Wilke, dass sie den Weg auf sich genommen hat, um bei uns zu sein.